Digitale Barrierefreiheit

Warum Unternehmen von einer inklusiven Produktstrategie profitieren und wie sich Anforderungen zur Barrierefreiheit erfolgreich in die Entwicklungsprozesse integrieren lassen, erfahrt ihr im folgenden Beitrag.

Inhaltsverzeichnis

Die Checkliste für Barrierefreiheit: Wie Unternehmen durch inklusive Gestaltung und Technologieintegration ihre Reichweite und soziale Wirkung steigern können

Ansätze für barrierefreie Gestaltung

Universal Design, Inklusives Design, Barrierefreiheit und Ethical Design bilden zentrale Bereiche eines verantwortungsvollen Designprozesses, der darauf abzielt, Produkte und Services für alle Menschen zugänglich und nutzbar zu gestalten. Sie tragen dazu bei, dass Design nicht nur funktional, sondern auch ethisch und sozial verantwortungsbewusst entwickelt wird.

Universal Design ist ein übergeordnetes Konzept, das darauf abzielt, ein Design zu schaffen, das für alle zugänglich ist und von möglichst vielen Menschen genutzt werden kann.

Inklusives Design ist ein Designprozess, der Produkte, Services und Umgebungen auf alle Menschen ausrichtet, unabhängig von Alter, Fähigkeiten oder kulturellem Hintergrund.

Barrierefreiheit /Accessibility ist ein Teilaspekt des inklusiven Designs, der sich auf die Einhaltung bestimmter Richtlinien, zum Beispiel Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bezieht.

Ethical Design ist ebenfalls ein bedeutender Bestandteil des gesamten Designprozesses. Es bezieht sich auf die Berücksichtigung ethischer Überlegungen und darauf, dass das Design nicht nur funktional und zugänglich, sondern auch moralisch verantwortungsvoll gestaltet wird.

Digitale Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen

Die digitale Barrierefreiheit ist nicht nur eine ethische Verantwortung, sondern bietet Unternehmen auch neue Chancen sich zu positionieren:

  • 46% der Verbraucher erwarten, dass Marken die Führung bei der Schaffung eines nachhaltigen Wandels übernehmen. (Quelle: Nielson Global Sustainability Report)
  • 9,4 % der Menschen in Deutschland leben mit einer Behinderung. (Quelle: Statistisches Bundesamt)
  • 490 Milliarden US$ beträgt die Gesamtkaufkraft von Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter mit Behinderung in den USA. (Quelle: American Institute for Research)

Unternehmen, die digitale Barrierefreiheit umsetzen, erweitern nicht nur ihre Zielgruppen, sondern schaffen auch ein inklusiveres, benutzerfreundlicheres und innovativeres Produktangebot. Die Vorteile gehen dabei weit über die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen hinaus – sie stärken das Markenimage, erhöhen die Kundenzufriedenheit und bieten langfristige Wachstumschancen.

Verbessertes Image: Verbraucher schätzen Unternehmen, die ethische und inklusive Werte fördern, was zu mehr Vertrauen und Kundenbindung führt.

Hohe Benutzerzufriedenheit: Inklusive Produkte verbessern die Nutzungserfahrung und reduzieren die Abwanderung.

Erweiterte Marktchancen: Produkte, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind, erreichen eine breitere Zielgruppe.

Der Curb-Cut-Effekt: Inklusive Funktionen eines Produkts sind auch für Menschen ohne Einschränkungen hilfreich. Zum Beispiel: Die Vorlesefunktion wurde ursprünglich als Unterstützung für Personen mit Seheinschränkungen entwickelt, ist aber auch beim Autofahren nützlich.

Zunahme von Innovation und Kreativität: Inklusive Ansätze fördern kreative Problemlösungen und Innovationen, indem traditionelle Annahmen und Vorurteile herausgefordert werden.

Rechtliche Anforderungen umsetzen: Inklusive Prinzipien unterstützen die rechtlichen Anforderungen und Branchenstandards im Zusammenhang mit Datenschutz, Zugänglichkeit und Verbraucherschutz. Zum Beispiel Vorgaben der BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act) in Deutschland umgesetzt. Das Gesetz tritt ab dem 28. Juni 2025 in Kraft. Es erweitert die bestehenden Regelungen um den gesamten digitalen Bereich und definiert neue Standards, um Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Zudem wird der Anwendungsbereich des Gesetzes vom öffentlichen auf den privaten Sektor ausgedehnt.

Barrierefreiheit durch Technologieintegration

Die Integration moderner Technologien ermöglicht Unternehmen, ihre Angebote barrierefrei und inklusiv zu gestalten. Technologische Lösungen können Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen den Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen erleichtern. Durch den gezielten Einsatz solcher Technologien schaffen Unternehmen eine Umgebung, die für alle nutzbar ist.

Beispiele:

  • Sprachassistenten (z. Bsp. Siri, Alexa)
  • Screenreader für Website und Apps sowie automatisierte Bildbeschreibungen, die sehbehinderten Nutzende visuelle Inhalte zugänglich machen
  • Live-Transkriptionen z. Bsp. Videokonferenzen
  • Adaptive Benutzeroberflächen, die Kontraste, Schriftgrößen und Farben automatisch an die Bedürfnisse der Nutzenden anpassen

Checkliste: Digitale Anwendungen barrierefrei erstellen

Im agilen Entwicklungsprozess sollte Barrierefreiheit nicht als nachträgliche Ergänzung betrachtet werden, sondern als integraler Bestandteil jeder Phase – von der Projektinitialisierung bis zur Auslieferung. Die wichtigsten Tipps, wie euch das gelingt, haben wir für euch zusammengestellt:

Projektstart

  • Schafft Awareness und sensibilisiert alle Projektbeteiligten für das Thema Barrierefreiheit.
  • Plant Barrierefreiheit und erweiterte Zielgruppen bereits in der Phase der Ziel- bzw. Produktfindung ein.
  • Befähigt euer Team und schult Product Owner, Design- und Entwicklungsteams nach den BITV-Vorgaben, sodass sie mit den Anforderungen an Barrierefreiheit vertraut sind und diese entsprechend integrieren und überprüfen können.
  • Integriert Barrierefreiheit in eure Qualitätssicherung.

UX Research

  • Definiert diverse Nutzergruppen und bezieht sie von Anfang an in den Entwicklungsprozess ein.
  • Erstellt Personas für Zielgruppen mit Beeinträchtigungen.
  • Integriert kontinuierliches Testing in eure Entwicklungsschritte. Wir empfehlen eine Verteilung von 30 % automatisierten und 70 % manuellen Tests:
    • Durch manuelles Testing lässt sich überprüfen, ob eure Anwendung barrierefrei ist. Hierfür kommen erfahrene und zertifizierte Tester zum Einsatz, die sich mit den WCAG- und BITV-Standards auskennen. Öffentliche Stellen müssen eine solche Überprüfung zudem in einem Prüfbericht nachweisen.
    • Automatisierte Tests erleichtern das schnelle und unkomplizierte Überprüfen der Anwendung auf Barrierefreiheit, sowohl vorab als auch während des Entwicklungsprozesses. Nutzt dafür Tools wie AXE, WAVE oder Lighthouse.
    • Nutzungstests sind besonders wertvoll für die Barrierefreiheit, da sie echte Nutzende mit verschiedenen Einschränkungen einbeziehen. Über Kooperationen mit Vereinen können Nutzende mit spezifischen Profilen vermittelt werden, um das Produkt aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten und Pain Points sowie besondere Barrieren zu identifizieren.

UX Ideation, Konzept & Design

  • Erweitert euer Konzept, um die definierten Anforderungen hinsichtlich Barrierefreiheit.
  • Führt manuelle Test mit gestalteten Screens durch.
  • Passt eure Prototypenentwicklung auf Testszenarien und erweiterte Nutzungsgruppen an.
  • Regelmäßiges Feedback aus Nutzungstests einholen.

Implementierung

  • Dokumentiert Hinweise zur Barrierefreiheit auch in Gestaltungstools wie Figma und erstellt eine Anforderungsliste, die die barrierefreien Eigenschaften der verschiedenen Elemente festhält.
  • Stellt diese Informationen bei der Übergabe an die Entwicklung bereit. Sodass in der Umsetzung alle Komponenten den festgelegten Standards entsprechen.
  • Und ganz wichtig: nach dem Testing ist vor dem Testing! Integriert das A11Y-Testing auch nach der Implementierung für weitere Releases.

Eine barrierefreie und inklusive Produktstrategie kann eine breitere Nutzerbasis ansprechen und somit den Markt erweitern. Außerdem verbessern inklusive Funktionen die Benutzerfreundlichkeit und erhöhen dadurch die Zufriedenheit aller Nutzenden, was den Erfolg eurer Anwendung unterstützt.

Als Designer:innen tragen wir die Verantwortung, Diskriminierung zu vermeiden und Chancengleichheit zu fördern – Lasst uns gemeinsam starten!