Nachhaltigkeit in der Industrie

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Use me: UX für eine ressourcenschonendere Produktion

Soll die industrielle Produktion nachhaltiger werden, ist es unabdingbar, mit den benötigten Ressourcen schonend umzugehen. Das bringt zweifachen Nutzen – ökologisch wie ökonomisch. Die User Experience ist hierfür von entscheidender Bedeutung.

Im Jahr 1972 stellte Bill Withers in seinem Charterfolg „Use Me“ fest: „You just keep on using me, until you use me up“. Der Musiker schien damals noch nicht ganz entschieden, ob das im von ihm besungenen Kontext nun gut oder schlecht sei. KlimawissenschaftlerInnen und BiologInnen sind sich – bezogen auf ihr Sujet – jedenfalls sicher, dass restloser Ressourcenverbrauch keine gute Idee ist. Mit dieser zugegebenermaßen nicht sehr neuen aber immer weniger verneinbaren Erkenntnis gehen Implikationen für alle möglichen Bereiche des menschlichen Lebens einher. Die industrielle Produktion ist einer von ihnen. Denn bekanntlich verbraucht der Industriesektor einen der größten Anteile an fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas. Doch auch Seltene Erden, Metalle und Silizium kommen in der industriellen Fertigung in steigendem Maß zum Einsatz.

Von einem nachhaltigeren Umgang mit natürlichen Rohstoffen bis hin zur Reduktion des CO2-Ausstoßes über Scope 1, Scope 2 und Scope 3 hinweg: Es gilt folglich einige Hebel zu bewegen, soll dem menschengemachten Klimawandel Einhalt geboten werden. Und das fertigende Gewerbe hält viele davon in den Händen. Einer dieser Hebel ist eine Produktion, die auf einen möglichst sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen setzt. Und hier kommen natürlich auch die Bereiche User Experience und Usability ins Spiel.

UX-Design und technischer Bereich: Wir müssen reden

Wie für so viele andere Aufgaben in der Produktentwicklung ist auch für diese Herausforderung der interdisziplinäre Austausch zwischen UX-Profis und technischen Stakeholdern von zentraler Bedeutung. Etablieren Unternehmensverantwortliche hier eine funktionierende Zusammenarbeit, kann das die schonende Nutzung natürlicher Ressourcen in der industriellen Produktion auf mehrere Arten fördern.

Aller Anfang ist bekanntlich zwar schwer, doch in diesem Fall kann man bei einer benutzerfreundlichen Gestaltung der Bedienoberflächen von Maschinen, Anlagen und Software ansetzen. Bereits an dieser Stelle können schließlich Fehler und Ineffizienzen verringert werden, die andernfalls eine Ressourcenverschwendung fördern, anstelle sie zu begrenzen. Arbeiten UX-Designer mit Ingenieurinnen zusammen, können sie gemeinsam intuitive Interaktionen entwickeln, die Fehlbedienungen und den hieraus resultierenden Ausschuss minimieren.
Verfügen Unternehmen über mehrere Produktionsstandorte, erweisen sich einheitliche Design-Systeme für alle Produktionsanlagen einer Firma als besonders nützlich. Sie ermöglichen die skizzierte intuitive Bedienung gleichermaßen über alle Produktionsstandorte hinweg. Das reduziert nicht nur den Schulungsaufwand, sondern wirkt auch hier potenziellen Fehlbedienungen und damit der Verschwendung von Zeit und Rohstoffen entgegen.

UXpertise frühzeitig einbeziehen

Produzierende Unternehmen können also einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten, wenn sie das Fachwissen von Usability-ExpertInnen und UX-SpezialistInnen in den Entwicklungsprozess von Maschinen und Anlagen einfließen lassen. So gibt es gleich mehrere Methoden im UX-Repertoire, die zu einer ressourcenschonenderen industriellen Produktion beitragen können.

Frühzeitige Fehlererkennung durch Usability-Tests

Hier sind exemplarisch natürlich Usability-Tests mit potenziellen Nutzenden zu nennen. So lassen sich Bedienprobleme und Fehlerquellen bereits in einem sehr frühen Stadium der Produktentwicklung erkennen. Dieses Wissen ermöglicht eine iterative Verbesserung der Benutzeroberflächen und Interaktionsobjekte, bevor teure Fehler in der Produktion auftreten. Das spart ebenfalls Rohstoffe und Energie, da Nachbesserungen und Ausfallzeiten vermieden werden. Kontextuelle Interviews mit Nutzenden in ihrer tatsächlichen Arbeitsumgebung geben allgemein tiefe Einblicke in Abläufe, Probleme und Bedürfnisse. Daraus lassen sich zielgerichtet Optimierungen ableiten, die zu effizienteren Prozessen und weniger Verschwendung führen.

Effizienzsteigerung durch A/B-Tests und gezielte Beobachtungen

A/B-Tests ermöglichen es darüber hinaus, mehrere sich unterscheidende Designs hinsichtlich ihrer Effizienz und Akzeptanz zu vergleichen – und zwar datenbasiert. Auf diese Weise können Unternehmen die jeweils bestgeeigneten Lösungen ermitteln und umsetzen, ohne dass dabei Ressourcen für wenig erfolgversprechende Varianten verschwendet werden.
Bewährte UX-Methoden wie die Beobachtung, Befragung und die erwähnten Usability-Tests mit Produktionsmitarbeitenden helfen also zusätzlich dabei, rechtzeitig genau diejenigen Schwachstellen in Abläufen und Systemen zu ermitteln, die einen unnötig hohen Ressourcenverbrauch bewirken. Fließen diese Erkenntnisse anschließend in die Entwicklung ein und werden entsprechend umgesetzt, ist das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer ressourcenschonenderen Produktion.

Nudges für nachhaltiges Verhalten in der Produktion

Im laufenden Betrieb selbst können dann beispielsweise Nudges zum Einsatz kommen, um die industrielle Produktion nachhaltiger zu gestalten. Soll mittels dieser subtilen Beeinflussung etwa die Reduktion von Energieverbrauch, Abfall oder CO₂-Emissionen gefördert werden, kann man auch hier von zuvor durchgeführten Verhaltensanalysen profitieren. Anschließend geht es daran, konkrete Nudges, auf die Unternehmenskultur abgestimmt, zu entwickeln. Das beginnt beispielsweise bei visuellen Hinweisen, wie Schildern zu Energiespartipps oder Markierungen für Recyclingmöglichkeiten. Eine weitere Möglichkeit sind Feedback-Systeme, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Shopfloor etwa Echtzeit-Informationen zum Energieverbrauch oder der Abfallproduktion geben und sie so zu ressourcenschonenden Verhaltensweisen animieren. Aber auch Standardoptionen im Sinne von Voreinstellungen für energieeffiziente Maschinen oder den Einsatz umweltfreundlicher Materialien können helfen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Das funktioniert auch deshalb, weil die Menschen an den Maschinen gerade im Alltag der Serienproduktion oft wenig bis keine Zeit haben, alle möglichen Optionen zur Maschinenbedienung ausgiebig zu reflektieren. Daher nutzt das Gehirn Heuristiken, also Faustregeln, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen. Hier bieten sich Standardeinstellungen an, die beispielsweise ein Gleichgewicht zwischen einer möglichst energieeffizienten und einer möglichst hohen Maschinenleistung vorsehen. Erst die Entscheidung dagegen, zum Beispiel aufgrund einer unvorhergesehenen Produktionsspitze, erfordert eine Aktion seitens des Users.

Letztlich können die hauseigene UX-Abteilung oder eine beauftragte Agentur gemeinsam mit dem Fachbereich Konstruktion und Entwicklung außerdem Konzepte für reparaturfreundliche und recyclingfähige Produkte entwickeln, die langlebig sind und auf diese Weise Ressourcen über den kompletten Lebenszyklus hinweg schonen. Modulares Design, die Möglichkeit einer intuitiven Demontage oder digitale Reparaturanleitungen beziehungsweise FAQ sind hier nur einige von vielen Möglichkeiten.

UX nicht unterschätzen

Es wird also deutlich, dass User Experience und Usability wichtige Hilfsmittel für eine ressourcenschonende Produktion in der Industrie sind. Übersichtlich gestaltete und intuitiv bedienbare Benutzeroberflächen ermöglichen es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel, die an sie gestellten Aufgaben effizienter und mit weniger Fehlern zu erledigen. Das fördert die optimale Nutzung von Ressourcen wie Zeit, Material und Energie. Erleben Fachkräfte eine übersichtliche Menüführung und klare Darstellungen – egal ob in einer Software oder an einer Maschine – verringert sich die Menge an gestellten Supportanfragen und auch der Schulungsaufwand sinkt. Kommt es zu weniger Fehlbedienungen, reduziert das die Wahrscheinlichkeit von Verschwendung durch Stillstand- oder Ausfallzeiten sowie Nacharbeiten.

Hinzu kommt: Nutzungsfreundliche Systeme werden in der Regel gerne und somit auch länger eingesetzt. Häufige Systemwechsel und Verschwendung werden somit leichter vermeidbar. UX-Methoden wie Usability-Tests, kontextuelle Interviews und Prototyping tragen dazu bei, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor teure Fehler in der Produktion auftreten. A/B-Tests und heuristische Evaluationen ermöglichen datengestützte Optimierungen der effizientesten Lösungen. Quantitative Methoden wie Analytics, Feedback-Umfragen und Klick-Tests liefern wertvolle UX-Daten mit relativ geringem Aufwand. Sie zeigen Bereiche mit Verbesserungspotenzial auf und ermöglichen gezielte Optimierungen für effizientere Prozesse. Insgesamt können UX und Usability durch die Minimierung von Verschwendung, Fehlern und Ineffizienzen also erheblich zu einer sparsameren Produktion beitragen. Eine ganzheitliche Berücksichtigung dieser Aspekte im Design-Prozess ist ein Schlüssel zu nachhaltigen Lösungen in der Industrie.

Mehr Informationen zu unserem Autor Sebastian Human findet Ihr hier.